Die Leiterin des Altenzentrums Bürgerspital Ulrike Dietrich lobt ihre Pflegekräfte – Kurz vor ihrem Ruhestand spricht sie über Personalmangel, freie Betten und das Ansteigen der Bürokratie in der Pflege.
Volkach. Nach 23 Dienstjahren als Leiterin des Caritas Seniorenzentrums Bürgerspital in Volkach beendet Ulrike Dietrich Mitte September ihr Berufsleben. Als Einrichtungsleiterin in einer gerade im Pflegebereich turbulenten Zeit könnte die angehende Ruheständlerin ein Buch über Erlebnisse und Veränderungen schreiben. Ihr Beruf: Eine Herzenssache.
Ulrike Dietrichs Pflegegrundsatz: Der Mensch steht im Mittelpunkt. Caritas sei nicht Profit orientiert und zahle nach Tarif. Gewinne würden zurückinvestiert. In den letzten Jahren habe sich ein besonderer Markt entwickelt. „Hier haben gerade große private Ketten verdient.“ Mit dem Fachkräftemangel und den neuen Gesetzen, die einen Tarifvertrag voraussetzen, wende sich das Blatt wieder. Es werden keine Gewinne mehr erzielt und schon kommen die ersten „Insolvenzen“ privater Ketten. Problematisch sieht sie den steten Aufbau der Bürokratie: “ Auf der Strecke bleibt die Zeit für die Menschen, für die wir da sein wollen.“
Ulrike Dietrich lobt dabei das Pflegepersonal. „Es pflegt heute wie früher mit voller Leidenschaft und Empathie.“ Leider würden es immer weniger, die sich diesem „wundervollen Beruf widmen“. Der Pflegeberuf sei ein anspruchsvoller Beruf und habe viel Schönes zu bieten. Die angehende Ruheständlerin rührt die Werbetrommel für den Pflegeberuf: „Es gibt keinen schöneren und wertvolleren Beruf als die Pflege.“ In der Pflege habe man die Ehre einen Menschen in einer sehr vulnerablen Situation zu begleiten, die Hand zu halten und zu unterstützen. In der Pflege könne man auch Karriere machen, es gibt viele Weiterbildungen und sehr vielfältige Einsatzbereiche und man verdiene gutes Geld bei flexiblen Arbeitszeiten.
Es fehlen Pflegekräfte
Der Mangel an Pflegekräften sei der Grund dafür, dass nicht jede Seniorin und jeder Senior trotz freier Betten einen Platz im Altenheim bekommt. Bei einer Vollbelegung könnte die Qualität der Versorgung der Bewohner nicht sichergestellt werden. Die Nichtbelegung von Pflegeplätzen sei keine leichtfertige Entscheidung. „Am Ende des Tages bin ich gegenüber unseren Bewohnern und Pflegekräften verpflichtet für gute Pflege- und Arbeitsbedingungen zu sorgen.“ Ein Pflegenotstand sei in der Gesellschaft noch nicht angekommen. Ihr Wunsch an die Entscheidungsträger: Die Pflege muss gesellschaftlich und politisch die nötige Aufmerksamkeit für Veränderungen erhalten. Dazu brauche man eine konstruktive und nachhaltige Gesundheitspolitik. Den wenigstens Menschen sei das tragische Ausmaß des Pflegekräftemangels bekannt. Das Bewusstsein entstehe erst, wenn Frust und Verzweiflung durch eigene Erfahrungen in Bezug auf fehlende Pflegeangebote entstehen. „Ist die Pflege und Versorgung der älteren Menschen nicht sichergestellt, kann in Zukunft nur noch eine Person zur Arbeit gehen, die andere muss sich zu Hause kümmern.“ Damit bleibt in den Familien weniger Geld für den Konsum. „So geht die Spirale weiter. An erster Stelle müssen soziale Absicherung und Betreuung stehen.
Schlechte Aussichten für Babyboomer
Auf die Frage, ob die Pflege für die „altenlastige Zukunft“ gerüstet, wenn Babyboomer in Rente gehen, hat sie eine klare Antwort: „Auf gar keinen Fall.“ Man könne für diese Generation nur hoffen, dass Pflegepotenzial durch eigene Angehörige und Bekannte gegeben ist, da professionelle Angebote nicht ansatzweise ausreichen. Dass die Eigenbeteiligung in der Pflege steigt, sieht sie den Kosten für Personal, Energie und Investitionen geschuldet. Trotz der gestiegenen Kosten dürfe man nicht vergessen, dass die Caritas gemeinnützig tätig sei.
Ulrike Dietrich hat die Tätigkeit im Seniorenzentrum viel Spaß gemacht, vor allem der tägliche Kontakt mit Bewohnern, Mitarbeitern und Angehörigen. Die vielen guten Gespräche und das familiäre Miteinander, das gemeinsame Feiern aber auch das gemeinsame Trauern standen im Mittelpunkt. Die Herzlichkeit, das gemeinsame Lachen und „dass ich immer noch von den Bewohnern was lernen konnte“ wird sie im Ruhestand vermissen, aber auch die Zusammenarbeit mit den Mitarbeiterteams, „auf die ich mich auch in schwierigsten Situationen immer verlassen konnte“.
Für die Zukunft des Pflegesystems hat die zweifache Mutter und Oma zweier Enkel mehrere Wünsche: Der Mensch im Mittelpunkt. Anerkennung und Wertschätzung für die Pflege, die sie verdient. Entbürokratisierung. Vertrauen in die Einrichtungen und Dienste. Genügend Personal. Privat freut sie sich auf ihre eigene Zukunft, wenn mehr Zeit für Familie und Hobbys bleibt, wie Boule spielen, Wandern und Reisen.
Text: Peter Pfannes